
22/09/2025 0 Kommentare
Von der Dankbarkeit
Von der Dankbarkeit
# Impulse

Von der Dankbarkeit

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„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ – die Worte dieses Psalmverses (Psalm 103,2) machen mein Herz weit und ermuntern mich zu fröhlicher Dankbarkeit.Ganz anders hört sich das an als manche Danksagungen. Da wird am Ende einer Veranstaltung allen Danke gesagt; vom Redner über die Reinigungskräfte bis zum Publikum werden alle bedacht. Zu danken ist nicht mehr als eine lästige Pflichtübung. Ich fühle mich erinnert, wie ich als Kind auch schön Danke sagen sollte, wenn ich eine Tafel Schokolade geschenkt bekam. Kein Wunder, dass von den zehn Geheilten nur einer zu Jesus umkehrt und ihm dankt. So jedenfalls erzählt es Lukas. (Lukas 17,11-19)
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Wie demgegenüber tief empfundene Dankbarkeit aussehen kann, erkenne ich in der Darstellung des Josef, der eine Taube darbringt. Die Figur ist ein Detail aus der großen Bronzetür im Hildesheimer Dom. Bischof Bernward hat sie vor ziemlich genau 1.000 Jahren anfertigen lassen; und ich bin überrascht, wie ausdrucksstark die Figuren wirken, die im Dreiviertelrelief gefertigt wurden. Auf 16 Feldern wird einerseits die Urgeschichte von der Erschaffung des Menschen bis zum Brudermord Kains in Bildern erzählt, dem auf der anderen Seite die neutesta-mentliche Heilsgeschichte von der Verkündigung an Maria bis zur Auferstehung Jesu gegenübergestellt ist. Die Figur des Josef entstammt dem Feld, auf dem die Darstellung Jesu im Tempel gezeigt wird.
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Lukas erzählt in seinem Evangelium, wie Maria und Josef nach jüdischem Brauch den neugeborenen Sohn im Tempel vorstellen. (Lukas 2,22-24) Das geht auf die Vorstellung zurück, dass der erstgeborene Sohn eigentlich Gottes Eigentum sei und in den Tempel gehöre. Daraus hatte sich der Brauch entwickelt, dass Eltern das Kind durch ein Opfer auslösen. Das machen Maria und Josef: Sie bringen mit einem Opfer ihren Dank zum Ausdruck, dass ihnen ein Kind geschenkt wurde.
Auf dem Feld der Bernwardstür ist zu sehen, wie Maria ihr Kind dem Priester zeigt. Josef steht – wie so oft – etwas abseits. Ihm kommt die Aufgabe zu, das Opfer darzubringen. Mit ausgestreckten Armen reicht er die Taube dar, sein Blick ist auf das Opfertier gerichtet. Der ganze Gesichtsausdruck zeigt, dass Josef sich der Würde dieses Moments bewusst ist. Er zeigt keine ausgelassene Freude, und doch erkenne ich eine tiefe Dankbarkeit. Josef bringt seinen Dank Gott gegenüber zum Ausdruck – für das, was Gott ihm geschenkt hat: Jesus.
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Dank ist mehr als ein schnell gesprochenes Wort. Wer Danke sagt, gibt dem anderen etwas. Die Taube in der Hand des Josef ist ein sichtbares Symbol für den Dank. Mit dem Dank antworte ich auf etwas, was mir geschenkt wurde. Ich gebe anderen meine Anerkennung, schenke ihm Aufmerksamkeit und Freude.
Insofern ist jeder Dank Teil eines Tauschhandels. Dabei werden nicht Waren oder Geld getauscht, es geht um andere Werte: Ein Geschenk und ein Dankeswort werden getauscht. Im Sinne des Tauschhandels bleibt jedoch tatsächlich jeder Dank eine Pflichtübung.
Ganz anders werden Geschenk und Dank wertvoll, wenn sie über die geschuldete Pflicht hinausgehen. Ein Geschenk bekommt seinen Wert, wenn keine Gegenleistung erwartet, sondern aus freien Stücken gegeben wird. Genauso wird der Dank mehr als ein Ritual, wenn er aus innerer Freiheit und Freude erfolgt.
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Solche Dankbarkeit ist nicht nur für den Adressaten wertvoll, sie macht den Dankenden selbst reich. Wer in einer Haltung der Dankbarkeit lebt, spürt etwas von der Schönheit des eigenen Lebens. Jeder Tag wird zu einem Geschenk, das mich reich macht. „Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt Jesus zu dem einen Geheilten, der Jesus Dank erwiesen hat.
Von diesem Geheilten und von dem dankbaren Josef möchte ich mich anstiften lassen und mit einer dankbaren Grundhaltung zu leben versuchen. Was mir jeden Tag geschenkt wird, möchte ich nicht selbstverständlich hinnehmen, sondern Dankbarkeit einüben. Ich erlebe dann meine Dankbarkeit als ein Geschenk Gottes, das mich erfüllt leben lässt. So wie es in der letzten Strophe des Danke-Liedes von Martin Gotthard Schneider zum Ausdruck kommt: (EG 334,6)
„Danke, dein Heil kennt keine Schranken,
danke, ich halt mich fest daran.
Danke, ach Herr, ich will dir danken,
dass ich danken kann.“
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