Vernuft als Gottesgeschenk

Vernuft als Gottesgeschenk

Vernuft als Gottesgeschenk

# Impulse

Vernuft als Gottesgeschenk

Gedanken zum Predigttext Lukas 6,36-42

1.

Ein fast schon rührendes Bild sehen wir hier; ein schwarzes Graffiti, eine Zeichnung auf weißer Wand. Zwei Hände, die ineinander liegen, darüber der Satz: ALL ARMS WE NEED, zu Deutsch: Alle Waffen, die wir brauchen. Rührend diese, sagen wir es mit einem schönen deutschen Wort: diese Einfalt. Wir lesen das in Zeiten, in denen die Welt auseinanderzubrechen scheint vor Gewalt. Gewalt von Staaten gegeneinander, von Völkern, von Interessen, die durchgesetzt werden sollen – koste es, was es wolle. Die Welt blutet aus vielen Wunden. Ein Ende ist nicht absehbar.

Und dann schreibt einer mit einer Spraydose seine kleine Hoffnung auf eine Wand: Nur das sind Waffen, die wir brauchen: dass wir einander die Hand geben und dabei versöhnlich gestimmt sind. Ein Traum, eine Vision - vielleicht eine Illusion?

2.

Nein; wenn wir es zu Ende denken, hat der Mensch ja Recht, der das, vielleicht seufzend, an eine Wand geschrieben hat. Die Vernunft braucht keine Waffen. Sie ist sich selber genug. Vorausgesetzt, man vertraut ihr. Wie Jesus ihr vertraut hat.

Darum sagt er: Verdammt einander nicht; dann werdet ihr auch nicht verdammt. Achte nicht auf den Splitter im Auge deiner Geschwister, sondern bedenke zuerst, ob du nicht einen Balken im eigenen Auge hast. Auch das ist rührend im Angesicht der blutenden Welt. Man könnte fast sagen: Es ist naiv, viel zu schlicht. So kann man urteilen, ja. Trotzdem hat Jesus Recht. Wer sich, sein Volk, seinen Staat, seine Interessen mit Gewalt durchsetzen will, richtet viel Unheil an. Und es bleibt offen, ob man damit wirklich etwas gewinnt. Hat Russland im Krieg gegen die Ukraine etwas gewonnen? Oder haben sich nur die Mächtigen an dem berauscht, was ihnen möglich ist? 

3.

Gewalt ist kein Recht und schafft kein Recht. Früher oder später zerfällt, was mit Gewalt errichtet wird. Das ist eine historische Tatsache. Auch anderes zerfällt, das stimmt. Aber wenigstens wurde da auf Mord und Totschlag verzichtet. Und der Zerfall eines Gebildes ist oft wieder von Gewalt begleitet, wenn sich Gebiete und Völker neu ordnen. Die Weltgeschichte ist auch eine Gewaltgeschichte.

Weil die Vernunft an ihr Ende kommt, wenn ihr nicht vertraut wird. Manchmal ist es ja auch die Gegenseite, die der Vernunft nicht vertraut. Es braucht schon beide Seiten, die ihr Vertrauen in ihre Vernunft setzen. Wenn eine Seite sich unbedingt durchsetzen will, ist die Vernunft bald an ihrem Ende. Und wir, die wir vielleicht nicht betroffen sind, sehen das Unheil kommen. Dann können wir nur noch schwer seufzen und Gott anflehen, er möge Menschen zur Vernunft bringen. 

4.

Das hat Gott schon getan. In Gestalt von Jesus. Er lehrt uns, was nötig ist, um der Unvernunft ein Ende zu bereiten: Verzicht. Wenn dich jemand nötigt, sagt Jesus in der Bergpredigt bei Matthäus (5,38ff), wenn dich jemand zu etwas zwingen will, dann lass es nicht nur geschehen, sondern tue auch noch so, als machtest du es freiwillig – und geh gleich noch einen Schritt weiter: Gib ihm das Doppelte. Versuche, heißt das, nicht unvernünftig zu werden, sondern behalte dass Heft des Handelns in deiner Hand. 

Das ist sehr schön gedacht; und sehr schwer gelebt. Menschen rächen sich lieber, als dass sie freiwillig nachgeben. Aber manchmal ist Nachgeben vernünftig und verhindert Schlimmes. 

5.

Jesus war kein Träumer. Er war voll nüchterner Vernunft. Jesus wollte mit seinen Sätzen auch keine Kriege beenden. Er wollte einfach versuchen, im Namen Gottes Frieden zu stiften zwischen Menschen; im Alltag unseres Lebens. Da sagt er in unserer Sprache: Lass dich nicht provozieren; lass dich nicht zur Rache verleiten; verzichte um der Vernunft willen auf Rache. Und, natürlich: Sage und tue nichts, was andere provozieren könnte. In einem kurzen Satz gesagt: Halte dich, bitte, an die Vernunft. Sie ist göttlich.

Vernunft ist ein Gottesgeschenk. Der Mensch, so hören wir in der Schöpfungsgeschichte, kann unterscheiden zwischen Gut und Böse. Vielleicht kann er es nicht immer sofort; aber oft eben doch. Gewalt ist oft böse. Sie gilt es zu verhindern, wenn möglich. Mit einem Höchstmaß an Vernunft.

Lasst uns die Vernunft pflegen. Indem wir nachdenken und miteinander sprechen, so viel es geht. Dann erkennen wir hoffentlich bald: Die beste Waffe ist, dass wir einander die Hand reichen.

Dies könnte Sie auch interessieren

Ev. Paulus-Kirchengemeinde Castrop
Wittener Straße 21
44575,  Castrop-Rauxel

Spendenkonto:

Kirchenkreis Herne.
IBAN DE05 3506 0190 2001 1420 22
BIC GENODED1DKD