19/05/2025 0 Kommentare
Loben befreit
Loben befreit
# Impulse

Loben befreit
Gedanken zum Predigttext Apostelgeschichte 16,23-34
1.
Wie kommt man hier raus? Der Fotograf hat in einer Nische einer kleinen Kirche diese Gefangenendarstellung aufgenommen. Der eine Mann ringt seine Hände vor innerem Schmerz, der andere streckt eine Hand zum Himmel empor. Der Mann ganz rechts hält seine Arme unbestimmt, sein Gesicht ist verdeckt. Auch der Mann links weiß wohl nicht, wie er seinen Schmerz ausdrücken soll an diesem Ort des Schreckens, hinter Gittern.
So werden Paulus und Silas empfunden haben, nachdem man sie „hart geschlagen“, also gefoltert hatte. Auf ihre Weise werden sie sich gefragt haben: Wie kommen wir hier wieder raus? Dazu gleich mehr. Vorher noch ein paar Sätze zu dieser biblischen Erzählung.
2.
Der Evangelist Lukas hat zwei Bücher geschrieben. Zunächst das Evangelium, die Lebens- und Leidensgeschichte von Jesus. Lukas erzählt viel von den kleinen Leuten, von Kranken und Verlorenen. Bei Lukas heißt Jesus oft „Heiland“, also der, der Menschen heilt durch Aufmerksamkeit, durch Freundlichkeit und auch mal durch ein Wunder. Einige der schönsten Jesusgeschichten stehen nur bei Lukas: die Weihnachtsgeschichte, die Geschichte vom verlorenen Sohn und die vom barmherzigen Samariter.
Als Lukas sein Evangelium geschrieben hatte, hatte er einen Plan. Er wollte auch noch von den ersten Jahren der Kirche erzählen. Von den Jüngern, die dann Apostel hießen, zu Deutsch: Gesandter oder Sendbote. Die zwölf Apostel gehen in die Welt und predigen. Bald kommt noch einer hinzu, der Jesus nicht persönlich gekannt hat: Paulus. Er reist viel größere Strecken und predigt auch in Griechenland. So entstehen die ersten Gemeinden und später auch die ersten Ordnungen einer allgemeinen Kirche.
3.
Lukas geht es vor allem in seinem Bericht um die Möglichkeiten Gottes. Die sind unbegrenzt. Unsere Gedanken sind begrenzt - Gottes Gedanken und Möglichkeiten sind grenzenlos. Davon will er erzählen.
Das tut er, als Paulus und sein Gefährte Silas im Gefängnis sitzen. Silas war ein angesehener Mann in Jerusalem. Er wurde ausgewählt, mit Paulus zu reisen. Und muss dann mit Paulus auch ins Gefängnis. Dort sitzen sie, wohl voller Schmerzen nach der Folter. Und tun etwas Außergewöhnliches.
4.
Sie loben Gott. Sie loben den, in dessen Namen sie im Gefängnis sitzen wie die Männer auf dem Bild - hinter schweren Gittern. Das verblüfft. Paulus und Silas hätten allen Grund, an Gott zu verzweifeln. Weil sie von ihm erzählt haben, sind sie ja gefangen genommen worden. Dennoch loben sie ihn. Das ist das Wunder.
Was dann folgt, ist eigentlich eher wunderschönes Beiwerk. Ein Erdbeben lässt die Gefängnismauern wanken. Alle Gefangenen sind frei. Loben macht frei. Innerlich frei. Paulus und Silas loben sich ihren Schmerz von ihrer Seele. So kommen sie da raus, wo man eigentlich nicht mehr herauskommt.
5.
Wie kommt man da raus?, fragten wir zu Beginn beim Betrachten des Bildes. Die Antwort ist so klar wie schwer: Indem man gar nicht erst hineinkommt. Paulus und Silas waren innerlich nie gefangen. In jedem Augenblick waren sie mehr als die äußeren Tatsachen. Ihr Vertrauen auf Gott war in keinem Gefängnis. Das Vertrauen war immer frei, trotz der Ketten. Ihre Glaubenskunst war, dass sie ihr Vertrauen nicht aufgaben. Gott ist größer als alle Gefängnisse der Welt, sagten sie sich - und stimmten ihr Lob an.
Viele Menschen in der Geschichte der Kirche haben uns Ähnliches hinterlassen oder erzählt. Die Heiligen Laurentius und Barbara; die Gefangenen Sophie Scholl und Dietrich Bonhoeffer und noch viele andere. Sie sagten oder schrieben: Unser Leib ist gefangen; unser Geist aber bleibt frei - weil wir größeres Vertrauen zu Gott haben als zur Welt, wie sie ist. Ihre Freiheit begann immer mit Lob. Lob, wie es der Psalm 68 ausspricht (Vers 20): Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch. Wer so betet, ist frei.
Wer Gott loben kann, hat eine innere Freiheit: Gott ist größer, mächtiger als alle Fesseln der Welt. Wer loben kann, erträgt den Schmerz etwas besser. Und manche Fesseln womöglich auch, hoffe ich. Loben macht frei.
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