03/03/2025 0 Kommentare
Hören und Handeln
Hören und Handeln
# Impulse

Hören und Handeln
Gedanken zum Predigttext Lukas 10,38-42
1
Wie muss es um das Verhältnis von Maria und Marta bestellt sein, wenn eine einen Dritten ansprechen muss, um die Schwester zu etwas aufzufordern? Sprachlosigkeit scheint zu herrschen zwischen den beiden, die so eng verbunden sind und zugleich einander so fremd zu sein scheinen. Kein offenes Wort scheint zwischen ihnen möglich zu sein. Hätte Marta Maria nicht direkt ansprechen können: Liebe Schwester, hilf mir? Und warum bleibt Maria stumm? Das verstärkt den Eindruck, dass die beiden Einstellungen und Haltungen verkörpern, die nur schwer miteinander zu vereinen sind. Auf der einen Seite die aktive, zupackende, um das Wohl anderer besorgte und Menschen zugewandte Marta. Auf der anderen Seite die im Hintergrund bleibende, in sich gekehrte, praktisch vielleicht weniger veranlagte Maria, die zwar aufmerksam zuhört, aber selbst nichts sagt und schließlich einen anderen für sich sprechen lässt.
2
Die Zeichnung von Rembrandt hält wohl jenen Moment fest, in dem Jesus zu Marta gewandt sagt: „Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe …“ In der Darstellung Rembrandts sieht man Jesus in der Mitte zwischen den beiden Schwestern sitzen. Die Schwestern sitzen zu beiden Seiten Jesu mit dem Rücken zu uns, der Betrachterin oder dem Betrachter. Ihre Blicke sind auf Jesus in der Mitte gerichtet. Das lässt die Distanz noch größer erscheinen. Jesus wendet sich zu Marta und spricht sie an. Nur über ihn besteht eine Verbindung zwischen den Schwestern.
3
Oft wurden die beiden Frauen als Ausdruck verschiedener Formen christlichen Lebens verstanden. Die eine Form beziehe sich auf ein Leben in der hörenden Hinwendung zu Gott. Die andere bestehe in der Hinwendung zum Alltäglichen, zur Versorgung mit dem Lebensnotwendigen. Nicht selten ist diese Unterscheidung in „vita contemplativa“ und „vita activa“, so die lateinischen Begriffe, mit einer positiven Bewertung des Lebens in hörender Versenkung und einer negativen Bewertung des aktiven Lebens verbunden worden.
In Rembrandts Darstellung stellt Jesus eine Verbindung zwischen den beiden Frauen dar. Sie gehören zusammen, auch wenn es ihnen in diesem Moment nicht gelingt, aufeinander zuzugehen. So wie die beiden Weisen christlichen Lebens eine gemeinsame Herkunft haben, indem sie verbunden sind und bleiben: dem Vertrauen auf Jesus von Nazareth, in dem letztgültig ein Leben, wie es sein sollte, Gestalt gewonnen hat. In ihm ist beides verbunden: die sorgende und fürsorgende, die gesund machende und heilende Hinwendung zu den Menschen auf der einen Seite. Auf der anderen Seite der immer wieder notwendige, innehaltende Rückbezug auf das kraftspendende Evangelium.
4
Wenn ich dies auf die kirchliche Situation beziehe, bedeutet es für mich: den Menschen zugewandtes Handeln einerseits und hörendes, innehaltendes liturgisches Handeln andererseits gehören zusammen und bedürfen einander. Ein Glaube ohne Handeln geht an dem, was mit dem Bild vom „ewigen Leben“ beschrieben werden kann, vorbei. Ein Handeln, dass ohne inneren Rückbezug, ohne Innehalten auszukommen versucht, läuft Gefahr, ins Leere zu laufen, sich zu erschöpfen und „auszubrennen“.
Die der Erzählung von Marta und Maria vorausgehende Erzählung vom barmherzigen Samariter macht zudem deutlich: Ein sorgendes und fürsorgendes Handeln ist nicht nur auf eine „Nächste“, einen „Nächsten“, sondern auch auf Fremde und Ferne zu beziehen. Das gehört sicher auch zu dem, was Maria bei Jesus hören und lernen konnte.
5
Zu Recht fragen Verantwortliche angesichts der sich verändernden kirchlichen Situation, welche Angebote auf Dauer vorgehalten werden können und für wen sie bestimmt sein sollen. Betrachte ich die Erzählung von Marta und Maria aus institutioneller Perspektive, dann gibt es keine Alternative zwischen denen, die „dazugehören“ und denen, die nicht dazugehören. Und es gibt keine Alternative zwischen einer tätigen und einer hörenden Ausformung christlichen Lebens. Alles ist verbunden in Jesus Christus, in seinem Handeln und in seinem Innehalten.
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