27/01/2025 0 Kommentare
Gegen die Trockenheit
Gegen die Trockenheit
# Impulse

Gegen die Trockenheit
Gegen die Trockenheit
Gedanken zu Johannes 4,14
1
Klares Wasser fließt durch eine hölzerne Rinne in einen ausgehöhlten Baumstamm. Es ist ein Baumbrunnen, wie man ihn aus Gebirgsregionen kennt. Das Gelände um den Brunnen ist steinig und ausgetrocknet, und auch das Holz des Brunnens wirkt trocken und rissig. Aus der Rinne spritzen Wassertropfen, die im Licht der Sonne, das sie reflektieren, gut sichtbar sind.
Die vielen hellen Flächen im Bild deuten auf eine Überbelichtung hin. Zu viel Licht – zu viel Sonne. Die Kraft der Sonne trocknet nicht nur das Land aus. Das intensive Licht macht auch farblos. Nur dort, wo die spritzenden Wassertropfen hingelangen, sprießen ein paar grüne Halme und begrünen, kaum sichtbar, die Szenerie.
2
Wie die Überbelichtung das Bild blass und kraftlos wirken lässt, kenne auch ich das Gefühl, etwas über zu haben, mich kraftlos und blass zu fühlen. Der steinige Boden und das trockene Holz erinnern mich an das Gefühl, selbst ausgetrocknet zu sein. Es erinnert mich daran, wie es ist, erschöpft zu sein – wenn mir kein kreativer Gedanke kommt oder ich an den kleinen Freuden des Alltages vorbeigehe, ohne sie wahrzunehmen, weil meine Seele ausgetrocknet ist und wie trockener Boden versiegelt erscheint.
Seelische Trockenheit scheint mir zur Zeit in der Gesellschaft weit verbreitet. Viele Menschen sind erschöpft, weil zu viel ihrem Leben die Kraft und die Farbe raubt. Zu viel Arbeit, die bewältigt werden will, zu viele Eindrücke, die auf der Seele lasten, zu viele Sorgen, um das Klima, die Kriege in der Welt oder das gesellschaftliche Miteinander. Da ist so Vieles, das einem die Kraft raubt.
3
„Doch glänzt in der überbelichteten Trockenheit das eigentliche Motiv der Fotografie auf, das Wasser. In der Farblosigkeit fällt es kaum auf, doch rührt es meine ausgetrocknete Seele an und wirkt belebend. Das Bild weckt Assoziationen in mir und erinnert mich an Urlaub. Es ist kein Bild aus einer Stadt, einem Dorf oder einem privaten Garten. Es ist beim Wandern in der Natur aufgenommen. Dort, wohin sich Menschen zurückziehen, wenn sie Erholung vom Alltäglichen suchen, weil sie sich ausgetrocknet und farblos fühlen. Beim Betrachten des Bildes möchte ich am liebsten meine eigenen Hände ausstrecken und mit ihnen das frische Quellwasser auffangen, um es mir ins Gesicht zu spritzen und davon zu trinken.
4
Im Johannesevangelium (4,14) sagt Jesus: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.“
Die Rede vom durstlöschenden Wasser erinnert mich an den trockenen Boden auf dem Bild. Die Worte Jesu sind an diejenigen gerichtet, die Durst haben. Ich fühle mich angesprochen. Ich denke an meine ausgetrocknete Seele, ich denke an die hohen Erwartungen von anderen und vor allem von mir selbst, ich denke an den Stress, der mich lähmt, an den Frust, weil etwas nicht so funktioniert, wie ich es gerne hätte. Ich denke an Ärger und Wut. Ich fühle mich ausgetrocknet und wie ein steiniger Boden, der das Schöne nicht mehr aufnimmt.
5
Die Worte Jesu wirken auf mich wie ein Brunnen in trockner Landschaft. Ich möchte meine Hände ausstrecken und das Wasser, das Jesus gibt, auffangen. Ich sehne mich nach kräftigen Farben statt Überbelichtung und einer Erfrischung für meine Seele.
In scheinbar aussichtlosen Zeiten stärken Jesu Worte die Zuversicht und beleben mich, dass der ausgetrocknete Boden in mir wieder fruchtbar wird und aufnehmen kann, was ich davor nicht wahrnehmen konnte.
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