Aushalten. Möglichst tapfer

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Aushalten. Möglichst tapfer

Gedanken zu Jesaja 50,4-9 und zur Karwoche

1

„Gott weckt mir das Ohr; Gott hat mir eine Zunge gegeben“, schreibt der Prophet Jesaja und lässt offen, wen er eigentlich meint. Wem weckt Gott das Ohr – wem hat er eine Zunge gegeben? Meint der Prophet sich selbst? Oder meint er einen uns Unbekannten – oder gar das ganze Volk Israel?

Wir lesen hier eines der größten Rätsel des Alten Testaments. Ein Forscher hat Ende des 19. Jahrhunderts herausgefunden, dass es im Buch des Propheten Jesaja kleine Textstücke gibt, die besondere sind. Er nannte sie „Gottesknechtslieder“. Es sind nicht direkt Lieder, aber sprachlich geformte Stücke, die nicht so recht zur Umgebung der anderen Worte passen. Dabei wird immer von einem „er“ gesprochen, den wir aber nicht kennen. Dieser Text ist das dritte von vier Gottesknechtsliedern. Es hat drei kleine Teile: Der Knecht preist Gott, der ihn zum Jünger gemacht hat (Verse 4+5); der Knecht wird um Gottes willen geschlagen (Verse 6+7); der Knecht wird von Gott recht bekommen und lobt die Hilfe Gottes (Verse 8+9). 

2

Eins kann uns nicht verwundern. Nach der Karwoche Jesu, nach dem Karfreitag – erst recht dann nach dem Ostermorgen und den Wochen danach –, begannen die ersten christlichen Gemeinden, die Worte des Propheten Jesaja auf Jesus zu beziehen. Er ist, sagten sie, der Gottesknecht. Wir müssen ja immer bedenken, dass alle Jünger, ebenso wie Paulus und die ersten, die getauft wurden, Juden waren – also wohl die fünf Bücher Mose und die Prophetentexte gut kannten. Wenn diese Worte erklangen, fiel ihnen sofort Jesus ein. Er ist der Knecht, der seinen Rücken hingehalten hat; er ist der Knecht, der von Gott recht bekam.

Jesaja selbst lebte fünfhundert Jahre vor Jesus; er kann Jesus also nicht gemeint haben. Aber dann, nach Jesus, wundert es nicht, dass Menschen in diesem Text Jesus erkennen. Der wusste, dass Gott ihn nicht zuschanden werden lässt. Und er hat recht bekommen.

3

Allerdings sollten wir vorsichtig sein. Es ist noch Karwoche, Schmerzenswoche, und nicht Ostern. Manchmal wollen wir einander zu schnell trösten und sagen dann: „Aber Gott wird bald …“ Nein, manchmal wird Gott nicht bald. Manchmal bleiben die Schmerzen lange, viel zu lange. Manchmal sehen Menschen kein Licht am Ende des Tunnels. 

Wenn wir andere Menschen wirklich trösten wollen, müssen wir sie ernst nehmen und dürfen nicht versuchen, ihnen etwas einzureden mit Worten wie: „Aber Gott wird bald …“ Das können wir hoffen, ja; aber wir dürfen es anderen nicht einreden wollen. Trost ist Ernstnehmen. Und wer kein Licht am Ende des Tunnels sieht, dem dürfen wir auch kein Licht vormachen oder einreden. Besser halten wir dann alle unsere Worte zurück und sind einfach nur da. Nicht alleine zu sein im Schmerz, ist oft der beste Trost. Besser als Worte, die den Ernst der Lage verwischen.

4

Jesus selbst hatte eine bittere Karwoche. Sie begann mit dem Triumph, in Jerusalem einzuziehen. Bald folgte das Abendmahl im kleinen Kreis der Jünger – dann aber Verrat, Verhaftung, Verleugnung, Folter; zuletzt die Hinrichtung am Kreuz. Es waren wenige, sehr schmerzhafte Tage. Und auch sie waren, wie oft bei unseren Schmerzen, begleitet von der Frage: Wo ist Gott? Wo ist mein Vater?

Erst einmal erhält Jesus keine Antwort. Und wenn man keine Antwort bekommt, scheint der Ostermorgen in weiter Ferne – auch wenn er sehr nahe ist.

5

Manchmal gibt es nur eins: Aushalten. Möglichst tapfer. Möglichst im Gebet. Aushalten und sich festhalten an Gottes Wort: Siehe, Gott der HERR hilft mir. Mehr konnte Jesaja nicht schreiben. Auch er musste warten, aushalten, nach Gott rufen. Und hoffte auf Menschen, die mit ihm aushalten. Die nicht mit blassen Worten trösten, sondern einfach da sind und schweigen können. Eine Schmerzenswoche muss man durchstehen. Mithilfe von Menschen. Wer mit mir aushält, zeigt mir etwas von Gottes Fürsorge. Dass Menschen füreinander da sind, ist manchmal der einzig denkbare Gottesbeweis.

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